Industrie 4.0: Was vom Hype übrig bleibt

Gut die Hälfte aller Industrie-4.0-Projekte sind erfolgreich, sagt eine McKinsey-Studie. Die meisten Projekte gelingen aber erst, wenn das I40-Label weggezogen wurde. Denn die Konzentration auf die Digitalisierung der Fabriken schafft bestenfalls Effizienzvorteile, hilft aber nur wenig bei der notwendigen digitalen Transformation.

44 Prozent der Unternehmen in Deutschland haben im vergangenen Jahr keine oder nur begrenzte Fortschritte beim Thema Industrie 4.0 gemacht, schreibt McKinsey als Fazit über seine Studie „Industry 4.0 after the initial hype“, für die 300 Entscheider aus der Industrie in Deutschland, USA und Japan befragt wurden. Man hätte auch schreiben können: 56 Prozent der Unternehmen in Deutschland haben gute oder sogar substantielle Fortschritte gemacht, womit Deutschland besser als die USA und sogar deutlich besser als Japan abschneidet. Die Frage ist allerdings: Was bringt Industrie 4.0, wenn das Ziel der Projekte 10 Prozent geringere Kosten oder 10 Prozent höherer Umsatz bedeutet? Mit derart geringen Ambitionen hilft Industrie 4.0 beim Mammutprojekt der Digitalen Transformation nicht weiter, zumal die deutschen Industrieunternehmen immer noch als Einzelkämpfer auftreten, um ihren eigenen Vorteil zu suchen.

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In vielen Unternehmen wurde inzwischen erkannt, dass die Digitale Transformation eigentlich an anderen Stellen ansetzen muss und mehr bedeutet als lediglich die Digitalisierung der Fabriken, die an letzter Stelle des Prozesses stehen müsste. Die meisten Unternehmen hätten nennenswerte Fortschritte auch erst dann erzielt, als sie den „Industrie-4.0-Schirm“ verlassen und sich auf spezifische Anwendungen konzentriert haben. Um das Ziel zu erreichen, haben die meisten Unternehmen das Industrie-4-0-Label ganz abgelegt, um die erste Enttäuschung hinter sich zu lassen und sich auf die Elemente zu konzentrieren, die wirklich wertvoll waren, hat die Umfrage ergeben.

Inzwischen seien einige Illusionen über die Wunderkräfte der digitalen Revolution in den Fabriken verflogen. Unsicherheit bestehe vor allem im Produzierenden Gewerbe über die Frage, wie Industrie 4.0 tatsächlich auf den (Fabrik-)Boden zu bringen sei. Dort ist die Erfolgsquote daher auch geringer als bei den naturgemäß optimistischen Technologieanbietern, die ihr Portfolio um Industrie-4.0-Komponenten erweitert haben und versuchen, es den eher zögernden Produzenten zu verkaufen.

Amerikaner investieren mehr als die Deutschen

17 Prozent ihres Forschungsetats investieren die Amerikaner in I40-Projekte, 13 Prozent sind es in Deutschland und nur 10 Prozent in Japan. Deutlich sind auch hier die Unterschiede zwischen Technologieanbietern, die 16 Prozent ausgeben, und Produzenten, die sich mit 12 Prozent beschränken. Allerdings scheint die Studie einen klaren Zusammenhang zwischen Investitionen und Erfolg zu ergeben: Produzenten ohne Fortschritte bei ihren I40-Projekten hatten im Durchschnitt nur 8 Prozent ihres Forschungsbudgets investiert, während die Unternehmen mit guten oder substantiellen Fortschritten mit 18 Prozent deutlich mehr Aufwand betrieben haben.

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Plattformen und Konsortien sind wichtig 

Angekommen ist die Erkenntnis, dass die Zusammenarbeit auf Plattformen oder Industriekonsortien der Schlüssel für den Erfolg von I40 ist, weil sich niemand mit sich selbst sinnvoll vernetzen kann. Allerdings sind die US-Unternehmen mit dieser Erkenntnis viel weiter vorgedrungen als ihre Wettbewerber aus Deutschland oder Japan. Technologieanbieter sind deutlich aktiver auf Plattformen als die Produzenten.

Die höchsten Prioritäten haben die Unternehmen in Smart Energy Production (Technologieanbieter) und Real Time Supply Chain Optimization (Produzenten) gelegt. Aber die größten Fortschritte wurden in jeweils anderen Projekten erzielt: Die Anbieter haben die Realtime Supply Chain Optimierung am besten hinbekommen, während die Produzenten vor allem bei digitalen Qualitätsmanagement erfolgreich waren.

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Grundsätzlich hat sich die Einstellung gegenüber Industrie 4.0 in Deutschland aber im Vergleich zum Vorjahr nicht wesentlich geändert. 67 Prozent der Befragten in Deutschland sehen das Potenzial unverändert; 19 Prozent sind optimistischer als im Vorjahr, 14 Prozent pessimistischer. Industrie 4.0 werde ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen, gab genau die Hälfte der Befragten an. 37 Prozent erwarten keine Einflüsse, 13 Prozent gehen von einer sinkenden Wettbewerbsfähigkeit aus.

Vor allem in Deutschland werden die Vorteile der Digitalisierung stärker in einer erhöhten Effizienz als in einer Änderung des Geschäftsmodells gesehen. Genau hier liegt der Effekt der verfehlten Industrie-4.0-Kampagne, die als Digitalisierung der Fabriken lediglich auf Effizienzsteigerungen abzielt, aber spätestens dann im Desaster endet, wenn das perfekt produzierte, aber nicht digitalisierte Produkt nicht mehr nachgefragt wird. Nokia und Kodak lassen grüßen.

Wie in vielen anderen Studien bereits festgestellt können sich die deutschen Unternehmen weniger als ihre Wettbewerber aus den USA oder Japan vorstellen, dass mit der Digitalisierung neue Konkurrenten in ihren Markt eindringen könnten.