Deutschland landet im „Digital Economy and Society Index“ der EU auf Rang 14

Neben den bekannten Baustellen wie schnelles Internet, E-Government und E-Health liegen die Social-Media-Nutzung der Unternehmen (Rang 20) und der privaten Nutzer (Rang 27) weit unter dem EU-Durchschnitt. Besonders gering ist auch die Nutzung moderner digitaler Technologien in kleinen und mittleren Unternehmen. Hart kritisiert wird auch die außergewöhnliche große Kluft zwischen Stadt und Land im Angebot schneller Internetanschlüsse und die geringe Glasfaserabdeckung.

Der „Digital Economy and Society Index 2018“ der EU zeigt Deutschlands Schwachstellen in der Digitalisierung. Noch vor zwei Jahren belegte Deutschland Rang 9; inzwischen ist es nur noch Platz 14 unter den 28 Mitgliedsländern der EU. Neben den bekannten Baustellen wie schnelles Breitband, 4G-Abdeckung, E-Government und E-Health liegen die Social-Media-Nutzung der Unternehmen (Rang 20) und der privaten Nutzer (Rang 27) weit unter dem EU-Durchschnitt. Besonders gering ist auch die Nutzung moderner digitaler Technologien wie Big Data in kleinen und mittleren Unternehmen.

Mit dem Index misst die EU die Fortschritte ihrer Mitgliedsstaaten in der Digitalisierung auf fünf zentralen Feldern: Konnektivität, Digitale Bildung/Humankapital, Internetnutzung der Menschen, Einsatz digitaler Technologien in den Unternehmen und Nutzung der E-Government-Angebote (soweit vorhanden). Gut schneidet Deutschland mit Rang 8 im Bereich „Digitale Bildung/Humankapital“ ab. Trübe sieht es dabei im Feld „Digitale öffentliche Dienste/E-Government“ aus, in dem Deutschland wie im Vorjahr den 21. Platz erreicht. Im Bereich „Konnektivität“ ist Deutschland um zwei Plätze auf Rang 13 abgerutscht. Beim Einsatz digitaler Technologien in Unternehmen ging es von Rang 14 auf 12 nach oben; die private Internetnutzung erreichte Platz 14 nach Platz 18 im Jahr zuvor.

Nun ist Europa allerdings gar nicht der relevante Maßstab für derartige Vergleiche. Erst wenn auch die Vorreiter USA und China herangezogen werden, in denen die relevantesten Konkurrenten vieler deutschen Unternehmen beheimatet sind, und die nicht ganz unwichtige Kategorie „Digitale Geschäftsmodelle“ zugefügt wird, zeigt sich der digitale Rückstand in aller Deutlichkeit. Europas Anteil am Wert der 60 wertvollsten digitalen Plattformunternehmen beträgt nur noch 3 Prozent und wird angesichts des rasanten Wachstums in Asien wohl weiter fallen. Da Europas Konsumenten eifrige Nutzer dieser Plattformen sind, wandert jedes Jahr ein beträchtlicher Teil der Wertschöpfung ab, vor allem ins Silicon Valley. Sollten die Chinesen nun die zentralen Plattformen für Industriegüter aufbauen, wird sich der Trend aus der Konsumentenwelt noch verschärfen.

Risikokapital für Tech-Firmen stammt aus den USA und China

Auch nicht viel besser sieht es aus, wenn die aktuellen Investitionen in „Deep Tech“ wie Künstliche Intelligenz betrachtet werden. Auch hier scheint Europa den Anschluss zu verlieren. Unser Anteil an den Risikokapitalinvestitionen ist 2017 auf nur noch 7 Prozent gesunken. Dass nicht nur die USA, sondern vor allem Länder in Asien die Investitionen in diese Technologien seit 2013 massiv ausgebaut haben, scheint in Europa niemanden zu interessieren/beunruhigen.

 

Herkunft des Risikokapitals für Tech-Firmen im Zeitverlauf

Politik und Wirtschaft sollten sich das Treiben nun lange genug angeschaut haben. Es ist höchste Zeit, das Thema konsequent anzufassen. Die EU hat dazu auch einige Vorschläge gemacht:

Konnektivität: Platz 13

Deutschland hat 2017 bei der Konnektivität hinsichtlich fast aller Indikatoren langsame Fortschritte gemacht. Da jedoch andere Länder schnellere Fortschritte gemacht haben, ist Deutschland von Rang 11 auf Rang 13 zurückgefallen. Die Festnetzbreitbandabdeckung in Deutschland bleibt stabil bei 98 Prozent. Obwohl das Land bei der NGA-Abdeckung (Next Generation Access) in ländlichen Gebieten seit dem letzten Jahr erheblich aufgeholt hat (Anstieg von 49 Prozent auf 54 Prozent) und diese mittlerweile deutlich über dem EU-Durchschnitt von 47 Prozent liegt, ist die digitale Kluft zwischen Stadt und Land nach wie vor offensichtlich (die NGA-Festnetzversorgung lag 2017 in Deutschland bei 84 Prozent) Bei der Nutzung schneller Breitbanddienste (>=30 Mbit/s) gab es eine signifikante Verbesserung von 26 Prozent im Jahr 2016 auf 36 Prozent im Jahr 2017. Der Breitbandpreisindex (der mehrere Festnetzbreitbandangebote und auch das Einkommen berücksichtigt) lag an vierter Stelle innerhalb der EU. Der Anteil der DSL-Verbindungen, die den Hauptteil der Anschlüsse darstellen, lag im Juli 2017 bei 74,8 Prozent, gefolgt von Kabelverbindungen mit einem Marktanteil von 22,8 Prozent. Der Marktanteil von FTTH/B-Verbindungen lag immer noch auf dem sehr niedrigen Niveau von nur 2,1 Prozent im Juli 2017 im Vergleich zu einem erheblich höheren EUDurchschnitt von fast 12,9 Prozent . Die 4G-Netzabdeckung liegt in Deutschland mit 88 Prozent geringfügig unter dem EU-Durchschnitt (91 Prozent). Dennoch ist die Nutzung von Mobilfunk-Breitbanddiensten mit 79 Verträgen je 100 Einwohner geringer als in anderen Mitgliedstaaten (EU-Durchschnitt: 90 je 100 Einwohner).
Die Bundesregierung wird mit einigen Herausforderungen auf deutschen Telekom-Märkten rechnen müssen. Es besteht eine offensichtliche Kluft zwischen Stadt und Land bei der Festnetz NGA-Abdeckung (ländliche Abdeckung liegt bei 54 Prozent, obwohl sie immer noch über dem EU-Durchschnitt von 47 Prozent liegt) in Deutschland, wobei eine gezielte Breitbandfinanzierung äußerst wichtig erschiene. Der Anteil der Glasfaseranschlüsse ist sehr niedrig (nur 2 Prozent), sodass Deutschland hinter einigen EU-Mitgliedstaaten zurückliegt. Wegen der Konzentration des etablierten Betreibers auf die Vectoring-Technik könnte sich die Entwicklung von Hochgeschwindigkeitsverbindungen noch weiter verzögern.

Digitale Bildung /Humankapital: Platz 8

Im Bereich Digitale Bildung /Humankapital schneidet Deutschland gut ab und erzielt Fortschritte. Die deutsche Bevölkerung nutzt das Internet regelmäßig und besitzt im Durchschnitt überdurchschnittliche digitale Kompetenzen. Es besteht dennoch ein signifikanter Kompetenzmangel. 3,7 Prozent der Beschäftigten in Deutschland sind IKT-Fachkräfte, doch wie in den meisten europäischen Ländern ist auch hier die Nachfrage größer als das Angebot, im Oktober 2017 waren 55 000 IKT-Stellen offen . Ein Element der deutschen Digitalen Agenda ist die digitale Wissensgesellschaft. Auf Länderebene hat die Kultusministerkonferenz (KMK) im Dezember 2016 die Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ vorgelegt. Konkrete Schritte zur Umsetzung werden gerade diskutiert. Im Oktober 2016 veröffentlichte das BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) die Strategie „Bildungsoffensive für die digitale Wissensgesellschaft“, in der es einen DigitalPakt#D mit den Ländern vorschlägt. Die neue Bundesregierung stimmte im Zuge ihrer Koalitionsvereinbarung zu, 5 Milliarden EUR zu investieren (davon 3,5 Milliarden Euro während der laufenden Legislaturperiode), um Schulen mit digitalen Infrastrukturen, Technologien und einer Schul-Cloud zu versorgen. Im Gegenzug sollen die Länder dafür Sorge tragen, dass die Lehrkräfte entsprechend aus- und fortgebildet werden. Um das zukünftige Angebot an Fachkräften sicherzustellen, gewinnen MINT-Studiengänge im Allgemeinen und insbesondere im Bereich Informatik an Popularität. Auch eine Einwanderung von Fachkräften nach Deutschland könnte den Mangel an IKT-Fachkräften abschwächen.

Private Internetnutzung. Platz 12

Die Neigung der Bürger zur Nutzung von Internetdiensten hat im vergangenen Jahr in Deutschland stark zugenommen, besonders was Videoanrufe betrifft, und insgesamt gesehen rückte Deutschland von Rang 18 auf Rang 14 vor. Deutsche Internetnutzer lesen Online-Nachrichten (74 Prozent), hören online Musik, sehen sich im Internet Videos an und spielen Online-Spiele (78 Prozent), streamen Filme (23 Prozent) und tätigen Videoanrufe über das Internet (54 Prozent). Sie kommunizieren in sozialen Netzwerken (56 Prozent) und nutzen Online-Banking (62 Prozent). Die Deutschen kaufen häufiger im Internet ein als andere Europäer, 82 Prozent der Internetnutzer im Vergleich zu 68 Prozent im Durchschnitt der 28 Mitgliedstaaten.

Einsatz digitaler Technologien in Unternehmen: Platz 14

Deutschland hat bei der Integration digitaler Technik durch die Wirtschaft im vergangenen Jahr große Fortschritte gemacht. Besonders deutsche Unternehmen nutzen den Vorteil der Möglichkeiten des Online-Handels. 23,5 Prozent der KMU verkaufen online und 11,3 Prozent verkaufen grenzüberschreitend online. KMU nehmen dennoch nur langsam digitale Technologien in Anspruch und 34,6 Prozent davon weisen nur eine sehr geringe Digitalisierung auf. Nur 5,3 Prozent der deutschen KMU zum Beispiel verwendeten im Jahr 2016 Big Data Analytik, verglichen mit fast 10 Prozent der europäischen KMU. Um die Digitalisierung von KMU voranzutreiben, hat die Bundesregierung ein Netzwerk aus KMU-Kompetenzzentren eingerichtet. Die Hauptaufgabe dieser Zentren ist es, mittelständische Unternehmen über das Potenzial der Digitalisierung zu informieren und sie dafür zu sensibilisieren. Die Kompetenzzentren unterstützen KMU dabei, neue Technik zu erproben und Mitarbeiter entsprechend fortzubilden. Seit Juli 2017 hat das Unterstützungsprogramm „go digital“ Beratungsdienste für KMU im ganzen Land Innovationsgutscheine zur Verfügung gestellt, um ihre eigene Digitalisierung in den Bereichen IT-Sicherheit, digitalem Marketing und digitalen Geschäftsprozessen zu fördern. Derzeit entstehen in mehreren Städten und Regionen Digital Hubs für eine verstärkteZusammenarbeit zwischen Start-ups, KMU, Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung. Ein Grund dafür, warum Unternehmen nicht mehr in digitale Wirtschaftsmodelle investieren, ist der Mangel an Fachpersonal. Im Jahr 2016 wurden KMU befragt, was sie von der Digitalisierung ihrer Unternehmen abhielt. 67 Prozent antworteten, dass es der Mangel an IKT-Kompetenzen in ihrer Belegschaft sei, während 55 Prozent antworteten, dass es ihnen an Fachkräften fehle. Des Weiteren waren im Oktober 2017 700 Gewerbegebiete nicht an ein Glasfasernetz angeschlossen und 28 Prozent aller Unternehmen hatten keinen Zugang zu Netz mit mindestens 50 Mbit/s. 2017 veröffentlichte die vorherige deutsche Regierung ein Weißbuch über digitale Plattformen, das praktische Vorschläge für „digitales Regieren“ bietet und eine Anzahl von Maßnahmen und Projekten wurden ins Leben gerufen. Deutschland besitzt keine Strategie für eine kooperative Wirtschaft. Strategien und Regelungen unterscheiden sich maßgeblich in den Regionen und Städten, zum Beispiel was Kurzzeitunterkünfte und Personenbeförderung betrifft. Um den digitalen Wandel in der Wirtschaft weiter zu verbessern, wird insbesondere bei mittelständischen Unternehmen eine kontinuierliche Sensibilisierung für die Bedeutung digitaler Strategien erforderlich sein. Der Schlüssel in diesem Kontext ist das Investieren in IKT-Kompetenzen und Infrastruktur.

Digitale öffentliche Dienste / E-Government: Platz 21

Im Bereich Digitale öffentliche Dienste / E-Government schneidet Deutschland am schlechtesten ab. Bei der Nutzung digitaler öffentlicher Dienstleistungen liegt Deutschland EU-weit auf Platz 21. Es verbessert seinen Rang und macht Fortschritte. Deutschland ist eines der EU-Länder mit der niedrigsten Online-Interaktion zwischen Behörden und Bürgern. Nur 7 Prozent der deutschen Internetnutzer machen von Zeit zu Zeit Gebrauch von digitalen Gesundheitsdienstleistungen, und Deutschland liegt in Europa auf Platz 26. Basierend auf dem Onlinezugangsgesetz (OZG), das im Juni 2017 in Kraft getreten ist, wird geplant, die elektronischen Behördendienste erheblich auszuweiten und zu verbessern und einen leichten, sicheren und auch mobilen Zugang für Bürger und Unternehmen zu anbieten. Um dies zu ermöglichen, wurde eine ausschließliche gesetzliche Zuständigkeit der Bundesregierung in Artikel 91c Absatz 5 des Grundgesetzes aufgenommen. Das OZG verpflichtet Bund und Länder, innerhalb von 5 Jahren ihre Verwaltungsdienstleistungen online anzubieten und ihre entsprechenden Portale in einem Portal-Netzwerk zu verlinken. Die IT-Infrastruktur für dieses Netzwerk ist gerade im Aufbau. Der Bund bestimmt die erforderlichen IT-Normen und IT-Komponenten, die in dem Portal-Netz zu verwenden sind, und bemüht sich nötigenfalls um mit den Ländern um gegenseitig akzeptable Lösungen. Es wird ein dazugehöriges Bürgerkonto geben, wo der Bürger persönliche Daten handhaben kann und Einsicht darüber hat, welche Daten für welche Behörde zugänglich sind. Nach der Koalitionsvereinbarung der neuen Bundesregierung wird geplant, 500 Millionen Euro für die Umsetzung des OZG zur Verfügung zu stellen und ein eGovernment-Amt zur Entwicklung von Normen und Pilotprojekten einzurichten.

Immerhin: Die Bundesregierung sucht nun Nerds (mit Hochschulabschluss) im Kanzleramt. Wünschen wir ihnen viel Erfolg!


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