Die Menschen würden fürs Netz viel mehr Geld zahlen

Mit 170 Milliarden Dollar bewerten die Menschen die Web-Dienste, die ihnen Google, Facebook oder Twitter zur Verfügung stellen.

Milliarden Menschen nutzen jeden Tag die Angebote von Web-Firmen wie Google, Facebook oder Twitter im Internet. Ihre Dienste sind für die Nutzer kostenlos, aber nicht wertlos. Denn zwei bis drei Euro im Monat würde jeder Nutzer für E-Mails, die Google-Suche oder für die Kommunikation per Facebook ausgeben, hat eine Befragung der Unternehmensberatung McKinsey unter 4500 Menschen in den USA und Europa ergeben. Zusammengerechnet beträgt die Zahlungsbereitschaft für die wichtigsten Internetdienste 250 Milliarden Dollar.

„Bezahlt“ wird mit den persönlichen Daten, aus denen die Internetfirmen Profile ihrer Nutzer erstellen, um die Werbung möglichst genau zuschneiden zu können. Offenbar bewerten die Menschen die Belästigung durch die Reklame und die Preisgabe ihrer persönlichen Daten aber weit geringer als die Vorteile, die ihnen E-Mail, Suche oder Facebook bringen. Denn die McKinsey-Berater haben die Menschen gefragt, wie viel sie für eine vergleichbare Dienste ohne Werbung und ohne Verarbeitung ihrer persönlichen Daten zahlen würden. Werden zudem die tatsächlich gezahlten Preisen für kostenpflichtige Dienste berechnet, ergibt sich nur ein Betrag von 80 Milliarden Dollar. Netto bleibt somit ein Überschuss von 170 Milliarden Dollar übrig, den die Menschen faktisch geschenkt bekommen und den Ökonomen daher Konsumentenrente nennen.

Wohlfahrtseffeke

Der Großteil des Überschusses kommt aus der Kommunikation (44 Prozent) und Web-Dienste wie Suche, Landkarten oder Preisvergleiche. Weitere 18 Prozent entfallen auf Unterhaltungsdienste wie den Musikdienst Spotify, der kostenloses Musikhören ermöglicht.

Das Internet hat die Wohlfahrt der Menschen also massiv erhöht – und die Smartphones werden es künftig noch stärker tun. Überall und jederzeit Zugriff auf das Netz zu haben oder mit Google Maps navigieren zu können ist den Menschen schon 80 Milliarden Dollar wert.

Zweiseitige Märkte

Eine derart gewaltige Konsumentenrente wirft die Frage auf, warum die Anbieter nicht einfach die Preise erhöhen, wenn die Zahlungsbereitschaft so weit über dem aktuellen Preisniveau liegt? „Die Antwort liegt in der Struktur vieler werbefinanzierter Online-Märkte als sogenannte zweiseitige Märkte“, erklärt Studienleiter Jacques Bughin: Wird eine Kundengruppe (Zahl der Nutzer) größer, ist die andere Kundengruppe (Werbetreibende) bereit, mehr zu zahlen. Wenn Google also seine Suche verbessert oder Facebook mehr Funktionen hinzufügt, werden mehr Nutzer angelockt, was den Unternehmen höhere Werbeeinnahmen bringt. Diese Einkünfte liegen deutlich höher als die Zahlungsbereitschaft der Nutzer für einen vergleichbaren Dienst ohne Werbung. Für die Webfirmen ist es also sinnvoll, ihre für die Nutzer kostenlosen Produkte immer besser zu machen, was sowohl ihren Gewinn als auch den Wohlfahrtseffekt der Nutzer erhöht. „Für Unternehmen, die in zweiseitigen Märkten aktiv sind, liegt der Schlüssel zum Erfolg im engen Kontakt zum Verbraucher. Daher können sich die Menschen auf weitere Innovationen und eine tolerierbare Belästigung mit Werbung zu weiter niedrigen Preisen freuen“, erwartet Bughin.

Deutsche wollen Transparenz über ihre Daten

Der Erfolg dieser Strategie erscheint garantiert. Auch nach den Enthüllungen von Edward Snowden ist die Zahlungsbereitschaft der Deutschen für Web-Dienste, die auf die Verarbeitung persönlicher Daten verzichten, eher gering. In einer aktuellen Forsa-Umfrage im Auftrag des Marketingunternehmens Silverpop geben 67 Prozent der Befragten an, dass sie ihre Daten einem Unternehmen ohne Bedenken geben, wenn sie dort schon lange Kunde sind und sich davon eine exklusive Behandlung erhoffen. Die Datensammelei wird akzeptiert, wenn neben konkreten Vorteilen auch Transparenz gesichert sich. So wollen 71 Prozent der Deutschen genau wissen, welche Daten ein Unternehmen über sie speichert und zudem die Möglichkeit besitzen, den persönlichen Datensatz zu ändern. Diese Option bietet aber nur jeder zehnte Unternehmen an.