News Sharing: Facebook wird für die Medien immer wichtiger

Die Verbreitung der Nachrichten über die sozialen Netzwerke, vor allem Facebook, wächst rasant. Aber: Teilen bedeutet nicht lesen.

Facebook gewinnt als Traffic-Lieferant für die Nachrichtenseiten schnell an Bedeutung. In Deutschland beträgt der Anteil schon 87 Prozent und wächst weiter. In der Mehrheit eignen sich soziale Medien aber nur als Trafficquelle für Tratsch & Klatsch. Zudem bleiben Leser, die von Facebook kommen, meist nicht lange und sind nicht treu. Häufig geteilte Beiträge werden außerdem nicht häufiger gelesen als andere Artikel.

Messungen der TU Darmstadt zeigen einen seit Jahresbeginn deutlich beschleunigten Anstieg der Interaktionen der deutschen Facebook-Nutzer mit den Beiträgen der 15 größten deutschen Nachrichtenmedien. In den ersten beiden Februarwochen lag die Zahl der Interaktionen (Likes und Shares) mit den Beiträgen an einem durchschnittlichen Tag bei 209000 und damit 103 Prozent über dem Vorjahreswert. Google+ erreichte in diesem Vergleich ein Plus von 88 Prozent, allerdings auf weiterhin geringem Niveau von 5100 Interaktionen. Twitter hat zwar gegenüber dem Jahresende 2013 leicht auf etwa 19000 Interaktionen zugelegt, befindet sich allerdings noch 11 Prozent unter dem Vorjahreswert, haben aktuelle Berechnungen von Oliver Hinz für das Nachrichtenmagazin FOCUS ergeben. Insgesamt hat Facebook seinen Anteil an den Interaktionen der Leser auf etwa 87 Prozent ausgebaut; Google+ ist leicht auf 3 Prozent gewachsen, während auf Twitter nur noch 10 Prozent entfallen.

© Oliver Hinz / TU Darmstadt

© Oliver Hinz / TU Darmstadt

Der steile Anstieg in den ersten sechs Wochen des Jahres ist in den Grafiken gut sichtbar: Alle drei Netzwerke liegen in diesem (blau hinterlegtem) Zeitraum deutlich über dem 2-Jahres-Trend.


Oliver Hinz : TU Darmstadt 4

Klicks statt Datenschutz

Eine Möglichkeit für den Anstieg der Facebook-Likes könnte die Änderungen am Algorithmus sein, die Nachrichten einen höhere Präsenz im Newsfeed zuweisen. Da aber alle drei Netzwerke zugelegt haben, sieht Hinz eine andere Erklärung: „Der absolute Anstieg kann daran liegen, dass einige Webseiten die privacy-freundliche 2-Klick-Lösung wieder abgeschafft haben. Bild.de hat dies nach Angaben ihres Social-Media-Verantwortlichen am 20.11.2013 wieder abgeschaltet“, erklärt Hinz. Die 2-Klick-Lösung bedeutet, dass die Buttons der sozialen Netzwerke beim Besuch eines Nutzers zunächst deaktiviert sind, so dass keine Daten über den Besuch automatisch an Facebook, Google oder Twitter  übertragen werden. Erst wenn der Nutzer mit dem ersten Klick seine Absicht bekundet, einen Beitrag empfehlen oder teilen zu wollen, wird die Verbindung zu den Netzwerken hergestellt. Die Datenschützer mögen die Lösung; die Nutzer teilen aber weniger Inhalte. Vor die Wahl gestellt haben sich die meisten Newsseiten für mehr Klicks und weniger Datenschutz entschieden, selbst wenn sie in ihrer Berichterstattung die Datensammelei stets kritisieren. Zu den wenigen Ausnahmen, die weiterhin die 2-Klick-Lösung im Einsatz haben, gehören Zeit Online und heise.de

Nutzungsintensität spricht für Facebook

Ansonsten sprechen alle Metriken für die Konzentration auf Facebook. Das Netzwerk ist mit etwa 25 Millionen Nutzern im Monat weiterhin klarer Marktführer in Deutschland. In einer aktuellen Repräsentativumfrage von Harris Interactive gaben 69 Prozent der 1100 Befragten in Deutschland an, aktive Facebook-Nutzer zu sein, während Twitter auf 8 Prozent kam. Die 17 Prozent, die Google+ erhielt, erscheinen dagegen recht hoch und könnten  auch auf Verwechslungen mit anderen populären Google-Diensten zurückzuführen sein.

Die Studie zeigt einige interessante Ergebnisse zur Intensität der Nutzung. Hier einige Auszüge:

  • Facebook hat nicht nur die meisten, sondern auch die aktivsten Nutzer, die fleißiger mit Beiträgen interagieren. Nur bei Facebook ist die deutliche Mehrheit der Nutzer aktiv und nur ein geringer Prozentsatz lediglich noch angemeldet, aber momentan nicht aktiv. Bei fast allen anderen Anbietern, darunter auch Twitter, sind mehr als die Hälfte der Nutzer passiv.
  • Facebook-Mitglieder sind außerdem sehr häufig aktiv: Sie besuchen ihr Netzwerk im Schnitt etwa zweimal täglich. YouTube, Instagram und Google+ werden immerhin noch fast täglich von ihren Mitgliedern genutzt, andere Netzwerke deutlich seltener.
  • Die Facebook-Mitglieder, die in den letzten 30 Tagen aktiv waren, hinterlassen im Durchschnitt rund 16 initiative Postings pro Monat in ihrem Netzwerk, Google+-Mitglieder elf, Twitter-Mitglieder sieben, Youtube-Mitglieder fünf und Wer-kennt-wen-Mitglieder vier. Auf Xing werden rund drei und auf Stayfriends rund zwei Postings pro Monat hinterlassen.

Nachrichtenquelle für Tratsch und Klatsch 

Allerdings werden nicht alle Themen gleichermaßen oft in den Netzwerken verteilt. Eine Umfrage von Harris Interactive unter 1100 Onlinern in Deutschland zeigt, dass vor allem Klatsch und Unterhaltungsthemen auf Facebook oder Twitter verteilt werden. Für klassische Nachrichten zu Politik, Finanzen oder Sport sind die sozialen Medien keine wichtige Informationsquelle.

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Teilen bedeutet nicht lesen

Die Frage, ob viele Interaktionen auch die Zahl der Leser nachhaltig erhöhen, die dann auch noch wertvoll für das Medium sind, ist allerdings noch nicht geklärt. Tony Haile, CEO der Web-Analysefirma Chartbeat, berichtet in Time-Sharing-300x259Time, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen der Häufigkeit des Teilens und der Aufmerksamkeit eines durchschnittlichen Lesers gibt. Sein spannendstes Ergebnis aus einer Analyse von 2 Milliarden Pageviews aus 580000 Artikeln auf 2000 Websites: Nachrichten werden wesentlich intensiver gelesen als die Beiträge, die mit „Top, Best oder Biggest“ beginnen, also typischerweise für die „Klickfänger“ von Buzzfeed & Co. stehen, die inzwischen das ganze Web überfluten. Diese Beiträge werden zwar am häufigsten angeklickt, aber nur selten gelesen. Zudem werden die Beiträge nur von einer vergleichsweise kleinen Gruppe geteilt: Auf 100 Leser entfallen durchschnittlich ein Tweet und acht Likes.

Medien, die nur auf schnelle Klicks aus sind, werden langfristig verlieren, folgert Haile, denn Leser, die sich 3 oder mehr Minuten mit einem Text beschäftigen, kommen doppelt so häufig zurück wie die Leser, die nur eine Minute schauen. Gerade die wiederkehrenden Leser sind aber wertvoll, während die „Linkbait-Writer“ jeder Tag neue trickreiche Überschriften erfinden müssen, um ihr Publikum für einen kurzen Moment anzulocken.

Leser, die von Facebook kommen, bleiben nicht lange

Das Pew Research Institute hat herausgefunden, dass Leser, die eine Website direkt ansteuern, wesentlich länger auf der Seite bleiben als Leser, die eher zufällig von Facebook oder Google dorthin geleitet werden.

Seiten wie Buzzfeed haben also kein Interesse, eine loyale Leserschaft aufzubauen, sondern sie wollen „Teil der Conversation“ werden, die täglich auf Facebook stattfindet.

Native Advertising wird nicht gelesen

Haile hat noch einen interessanten Zusammenhang gefunden: Native Advertising, also die als Inhalt getarnte Werbung, wird von den Lesern sehr schnell

Time-Sharing

Time-Sharing

enttarnt. Nur ein Drittel der Leser bleibt länger als 15 Sekunden auf dem Text, während normale Artikel einen Anteil von zwei Dritteln haben. Nur 24 Prozent der Leser scrollen bei Native Advertising nach unten, haben also Interesse an dem Inhalt, während bei normalen Artikeln Scroll-Quoten von 71 Prozent

erreicht wurden. Nach Ansicht von Haile schaffen es aber mehr und mehr Medien, Native Advertising so attraktiv zu machen, dass die Leser länger bleiben.